Die Entstehung des Ju-Jutsu

Das Anfang des 20. Jahrhunderts eingeführte Jiu-Jitsu war in den 60er Jahren nicht mehr zeitgemäß. Es war dringend erforderlich, etwas Neues, vor allem aber wirkungsvolleres zu schaffen.

Hochgraduierte Dan- Träger erhielten den Auftrag, eine moderne und effektive Selbstverteidigung zu erarbeiten. Federführend dabei waren Franz Josef Gresch und Werner Heim. Sie stellten aus den verschiedensten Budo Systemen die wirkungsvollsten Techniken zu einem neuen System zusammen, das den Namen Ju-Jutsu erhielt.

1969 wurde das neue Ju-Jutsu dann in Deutschland eingeführt. Es geht nicht mehr vom Angriff aus, sondern primär von den Verteidigungstechniken. Alle Verteidigungstechniken sind gegen mehrere Angriffsarten anwendbar. Ziel ist es, die Bewegungsabläufe durch ständiges Training so zu automatisieren, dass die Verteidigung ohne Nachdenken erfolgt, d. h. automatische Reflexe im Unterbewusstsein (sogenannte Automatismen) ablaufen.

In der freien Selbstverteidigung werden die Einzeltechniken so aneinandergereiht, wie sie sich durch das Verhalten des Angreifers ergeben (sogenannte Kombinationen oder Weiterführungstechniken). Nicht der Verteidiger entscheidet über die Technikfolge, sondern die Handlungen des Angreifers, denen sich der Verteidiger mit dem Ziel anpasst, ihn angriffsunfähig zu machen.

Selbstverteidigung nach den Budo-Prinzipien

Ju-Jutsu geht zurück auf die in Japan in Jahrhunderten entwickelten waffenlosen Selbstverteidigungssysteme. Nahezu alle im Ju-Jutsu enthaltenen Elemente stammen aus Sportarten, die sich mit speziellen Gebieten der Selbstverteidigung auseinandergesetzt und diese perfektioniert haben.

Neben den Grundelementen Bewegungsformen, Falltechniken, Abwehrtechniken, Schläge, Tritte und Stöße sind ebenso Wurf- und Hebeltechniken der unterschiedlichsten Form im Ju-Jutsu vertreten.

Alle Techniken können – je nach Situation und Notwendigkeit – sowohl in sehr harter und zerstörerischer Form als auch relativ sanft angewendet werden.

Dies eröffnet dem Verteidiger stets die Möglichkeit, sich im Rahmen der gesetzlich geforderten Verhältnismäßigkeit zu bewegen. Die Härte der Verteidigung muss dem Angriff angemessen sein, so dass kein Missverhältnis entsteht.

Für eine umfassende Selbstverteidigung ist jedes der einzelnen Grundelemente jedoch nur ein Teil des Ganzen geblieben. Die Vollkommenheit liegt in der Zusammenfassung zu einem System. Hinzu kommen die für das Ju-Jutsu speziell entwickelten Festhalte-, Aufhebe-, Transport- und Nothilfetechniken.

Auch die Grundlagen der Konfliktbewältigung und Selbstbehauptung ohne den Einsatz körperlicher Gewalt werden im Ju-Jutsu vermittelt.

In der jüngeren Zeit sind nicht nur die Angriffe raffinierter, vielfältiger, brutaler und wesentlich gefährlicher geworden, sondern auch eine erheblich höhere Gewaltbereitschaft der Täter und eine große Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Opfer kommen hinzu.

Hier gilt es, dem ein Selbstverteidigungssystem entgegenzusetzen, das leicht erlernbar ist, von Personen jeden Alters und Geschlechts angewendet werden kann und eine optimale Wirkung erzielt.

Im Ju-Jutsu sind altbewährte Erkenntnisse vieler Kampfsportarten, aber auch neue Erkenntnisse unter dem Grundsatz „aus der Praxis für die Praxis“ zu einer modernen und sehr effektiven Selbstverteidigung zusammengeführt.

Weil auch die Sicherheitsbehörden erkannt haben, dass Ju-Jutsu sehr praxisnah und wirkungsvoll ist, wurde es bei den Polizeien der Länder und des Bundes dienstliches Ausbildungsfach.

Elemente und Prinzipien des Ju-Jutsu

Das Ju-Jutsu beinhaltet mehr, als der Name allein erkennen läßt. „Ju“ bedeutet „sanft“, d. h. ausweichen, anpassen, nachgeben. „Jutsu“ bedeutet „Kunst oder Kunstgriff“. Ju-Jutsu ist also die Kunst, durch Ausweichen oder Nachgeben die Kraft des Angreifers zu nutzen und ihn damit zu besiegen.

Falls erforderlich, kann ein Angriff aber auch in direkter Form, z. B. durch Atemi(Schock)- Techniken abgewehrt werden. Über allen Verteidigungstechniken steht das „ökonomische Prinzip“, also „mit dem geringsten Aufwand den größtmöglichen Nutzen zu erzielen“.

Alle Verteidigungstechniken können in weicher oder harter Form mit vielen Zwischenstufen nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit angewandt werden. Sollen die Techniken voll wirksam werden, müssen ihre Prinzipien beachtet werden.

„Wirksamkeit“ heißt nicht Kraft oder Gewalt, sondern richtige Technikanwendung und -ausführung. Nur so ist es auch Kleineren oder Schwächeren möglich, sich gegen stärkere Angreifer erfolgreich zu verteidigen.

Wettkampf als realitätsnahe Selbstverteidigung

Neben der hauptsächlich auf Zweckmäßigkeit beruhenden reinen Selbstverteidigung wird Ju-Jutsu auch in verschiedenen Wettkampfformen ausgeübt.

Ju-Jutsu-Fighting-System

Im „Fighting-System“ kämpfen zwei Kontrahenten in ihrer gemeinsamen Gewichtsklasse, ausgestattet mit Hand-, Fuß- und Tiefschutz, gegeneinander.

Dabei dürfen im Leichtkontakt Schläge, Tritte und Stöße sowie Hebel-, Wurf- und Würgetechniken angewendet werden. Der Ju-Jutsu-Sportler muss in relativ kurzer Zeit (2 x 2 Minuten) seinen Gegner nach Punkten besiegen oder zur Aufgabe zwingen. Dabei kann viel realitätsnäher gekämpft werden als in anderen Budo-Sportarten.

Das Regelwerk schließt jedoch ernsthafte Verletzungen des Gegners weitestgehend aus. Über die Einhaltung der Wettkampfregeln wachen bei jedem Kampf drei Kampfrichter. Die Wettkämpfe werden unterteilt in Kämpfe für Herren, Damen und Jugendliche.

Die Wettkämpfer qualifizieren sich zuerst auf der Landesebene, dann auf der Gruppenebene und anschließend auf der Deutschen Meisterschaft. Besonders erfolgreiche Kämpfer erreichen die Europa-Meisterschaften und ggf. auch die Weltmeisterschaften. 1998 fanden die Weltmeisterschaften in Deutschland (Berlin) statt.

Wettkampferfahrung trägt wesentlich zur Verbesserung des persönlichen Selbstverteidigungsprofils bei.

Ju-Jutsu-Duo-System

Das „Duo-System“ ist eine weitere Form des Ju-Jutsu-Wettkampfs. Hier wird paarweise gegeneinander gekämpft. Die beiden Paare trainieren technisch hochwertige Abwehrkombinationen gegen vorgegebene Angriffe, die dann im Vergleichskampf mit anderen Paaren zur Ermittlung des Siegerteams führen.

Auch hier werden Meisterschaften auf Landes-, Gruppen-, Bundes-, Europa- und Weltebene durchgeführt.

Ne-Waza/ BJJ

In der Disziplin Ne-Waza treten sich zwei Wettkämpfer in einem sportlich-fairen Wettkampf gegenüber.

Der sportliche Ne-Waza- Kampf startet in der Regel im Stand und wird meistens nach einem Wurf oder Takedown am Boden fortgesetzt und beendet.

Das vorherrschende Ziel des Kampfes ist es den Gegner durch eine von zahlreichen Hebel- oder Würgetechniken zur Aufgabe zu zwingen. Dies signalisiert der Gegner durch zweimaliges „Abklopfen“ mit der Hand, oder durch den Ausruf „Stopp“ oder „Tap“. Wenn das gelingt bedeutet es den direkten Sieg.

Ju-Jutsu-Formenwettkampf

Eine weitere, jedoch rein deutsche Art des Technikvergleichs ist der „Formenwettkampf“. Hier gilt es, die beste Ju-Jutsu-Demonstration (Show) zu prämieren. Die Teams, die aus 2 bis 5 Teilnehmern bestehen, studieren eine selbsterdachte Vorführung von 3 bis 6 Minuten Dauer- mit oder ohne Musik- bzw. Lichteffekten -ein, in der das Ju-Jutsu optimal dargestellt werden soll.

Ju-Jutsu ist eine sehr interessante und vielseitige Sportart und Selbstverteidigungsdisziplin, bei der alle Teilnehmer, ob jung oder alt, männlich oder weiblich, gemeinsam auf der Matte trainieren, um sich nicht nur körperlich fit zu halten oder freundschaftliche Kontakte zu knüpfen, sondern dabei noch viel für ihre persönliche Sicherheit im Alltag tun.